Mit dem geplanten Gebäudetyp-E-Gesetz vollzieht das Bundesministerium der Justiz einen Paradigmenwechsel im deutschen Baurecht. Erstmals soll es möglich sein, Bauwerke rechtssicher zu errichten, ohne zwingend alle technischen Normen und Komfortstandards erfüllen zu müssen.
Was bedeutet das konkret?
Bislang galt im Bauvertragsrecht ein zentraler Grundsatz: Ein Bauwerk ist nur dann mangelfrei, wenn es den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Diese Regeln werden in der Praxis häufig durch die Einhaltung von DIN-Normen bestimmt. Wurde ein Bauwerk errichtet, das von diesen Standards abwich, lag – selbst ohne ausdrückliche Vereinbarung – regelmäßig ein Mangel vor.
Mit dem neuen Gesetz soll sich genau das ändern: Die anerkannten Regeln der Technik werden künftig nicht mehr automatisch als geschuldeter Leistungsstandard gelten. Nur wenn die Einhaltung dieser Standards ausdrücklich vereinbart wird, entsteht für den Unternehmer auch eine entsprechende Pflicht.
Die neue Freiheit im Vertragsrecht
Das geplante Gesetz schafft damit einen größeren Gestaltungsspielraum für Bauherren, Architekten und Unternehmer. Künftig können die Parteien im Vertrag bewusst vereinbaren, dass bestimmte technische Normen nicht eingehalten werden – etwa um kostengünstiger, ressourcenschonender oder experimenteller zu bauen.
Abweichungen von Komfortnormen, wie etwa:
- Raumhöhen,
- Heizungs- oder Lüftungsstandards,
- Installationsdichten oder
- bautechnischen Detailanforderungen
führen also künftig nicht mehr automatisch zu einem Mangel, solange der Verzicht vertraglich festgelegt wurde. Das Gesetz verlagert damit die Verantwortung für die Bauqualität stärker auf die Vertragsparteien selbst.
Was bleibt, ist die Pflicht zur Klarheit
Die neue Vertragsfreiheit geht jedoch mit einer erhöhten Aufklärungs- und Hinweispflicht einher. Unternehmer müssen Bauherren – insbesondere private Auftraggeber – klar und verständlich darauf hinweisen, wenn von den allgemein anerkannten technischen Regeln abgewichen wird. Unterbleibt dieser Hinweis, kann der Bauherr trotz ausdrücklicher Abweichungsvereinbarung Schadensersatz oder Nachbesserung verlangen.
Rechtliche Bedeutung für die Praxis
Das ist eine grundlegende Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Bislang wurden die DIN-Normen als Ausdruck der anerkannten Regeln der Technik auch dann herangezogen, wenn sie vertraglich gar nicht erwähnt waren. Zukünftig wird es auf die tatsächliche Vereinbarung ankommen – ein klarer Schritt in Richtung Vertragsautonomie, aber auch ein Risiko für schlecht formulierte Verträge.
Fazit
Das Gebäudetyp-E-Gesetz wird das Bauvertragsrecht spürbar verändern. Es ermöglicht innovatives und flexibles Bauen, verlangt aber zugleich präzise und transparente Vertragsgestaltung. Für Bauherren, Architekten und Unternehmer gilt künftig: Wer abweichen will, muss das klar regeln.
ADVOCA Rechtsanwälte berät Bauunternehmen, Planer und private Bauherren bei der Vertragsgestaltung und Umsetzung des Gebäudetyp-E-Gesetzes.
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